Oliver, Billy und Alisha über ihre ganz persönliche Lebensreise

Zu einer außergewöhnlichen Veranstaltung lud die Nachbarschaftshilfe im Rahmen der Inklusionswoche Bad Nauheim am 6. Juli 23 in den Muschelsaal der Trinkkuranlage ein. Gemeinsam hatten die Teilnehmer in kleinen Gruppen die Gelegenheit, sich in sehr persönlichen Gesprächen mit unseren Gästen über den Umgang mit Multipler Sklerose, Obdachlosigkeit und Burn-out auszutauschen.

Oliver Frieling: Die stumme Last des Rollstuhls

Jeder Tag von Oliver ist ein Kampf, jeder Schritt eine Herausforderung. Sein Rollstuhl, sein stummer Begleiter, ist zugleich sein Fluch und seine Rettung. Doch in einer Welt, die Barrieren errichtet und die Augen vor seiner Existenz verschließt, ist er oft eher ein Gefängnis als ein Gefährt. Die Blicke der Menschen gleiten an ihm vorbei, als wäre er unsichtbar. Doch auch Oliver hatte Träume und Lebensziele, so wie jeder von uns.

Kein gutes Statement zur Barrierefreiheit in Bad Nauheim

Erschrocken waren die Teilnehmer über Olivers Alltagsbericht zur Barrierefreiheit in unserer “Gesundheitsstadt”. Nicht genügend barrierefreie Toiletten und Bordsteinübergänge, die jede Fahrt zu einer Herausforderung machen. Selbst bei der Nachbesprechung mit de Gästen im “Inklusionscafè” Jost kam es zu einer erschreckenden Situation. Erst musste sich der Mitarbeiter erkundigen ob es barrierefreie Toiletten gibt und schickte Oliver zur anderen Seite der Trinkkuranlage. Schließlich kam Oliver wieder und sagte “Nur zu Veranstaltungen geöffnet! Ich war dann um die Ecke mit meiner ‘Flasche’…”. Das dies kein Aushängeschild für die Trinkuranlage und Bad Nauheim gerade in der Inklusionswoche ist, ist traurig.

Doch auch die “menschliche” Seite machte die Teilnehmer betroffen. “Es gibt so viele Menschen die einfach wegschauen und über mich tuscheln, wenn ich durch die Stadt fahre”, so Oliver. “Kaum einer traut sich, mich ‘normal’ anzusprechen.”

“Geschäfte sind für mich nicht erreichbar”

Auch in den Geschäften hat Oliver große Schwierigkeiten – abgesehen vom hineinkommen. “Kaum einer hilft, oder bringt mir z.B. ein Eis, denn ich kann ja nicht an das Verkaufsfenster. Früher haben mehr Verkäufer:innen mal nach mir geschaut – heute ist das anders”.

Angeregt wurde auch ein Rollstuhltreffen, um gemeinsam zum Beispiel durch den Park zu fahren. “Ich wünsche mir, das sich die Rollstuhlfahrer besser zusammenschließen und organisieren”, so Oliver.

Du möchtest mit Oliver Kontakt aufnehmen? Bitte wende dich an die Nachbarschaftshilfe Bad Nauheim 06032 9232140 oder per E-Mail an wirhandeln@nachbarschaftshilfe-bad-nauheim.de

Billy Buschinsky: Im Schatten der Gesellschaft

Die Dunkelheit umhüllt Billy, während er sich durch die tristen Straßen unsere schönen, doch oftmals für ihn auch kalten Stadt bewegt. Obdachlos, verloren im Schatten der Gesellschaft. Keine Heimat, keine Hoffnung. Er kämpft gegen die kalten Winde und die Stiche der Verachtung, die ihn treffen wie eisige Dolche. Das Einzige, was er zwischen seinem Alltag, dem Bad in der Usa und dem Suchen nach weggeworfenen Lebensmitteln in den Containern der Lebensmittelgeschäfte sucht, ist eine Chance, ins Leben zurückkehren zu können.

Schicksalsschläge brachten ihn in die Obdachlosigkeit

Das Gespräch wollte Billy lieber draußen in der Trinkkuranlage unter einem Baum führen. “Ich lebe ‘draußen’ und dann ist es doch logisch, dass ich auch ‘draußen’ meine Geschichte erzähle”, so Billy, der mit dem Schnuller um den Hals offen über sein Leben sprach. Auf die Frage, wieso er den Schnuller um den Hals trägt, erzählt er, dass er durch einen Autounfall seine Frau und sein Kind verloren hat. “Der Schnuller ist das Einzige, was mir von meinem Kind noch geblieben ist, doch kaum einer traut sich mich zu fragen. Alle schauen mich nur an, als wäre ich krank,” so Billy im Gespräch.

Was die Geschäfte wegschmeißen, bedeutet für mich Leben

Danach war alles nicht mehr so, wie es einmal war. Er verlor den Halt und hatte schließlich keinen Wohnsitz mehr. “Die größte Schwierigkeit ist die Zustellung der Post ohne Wohnadresse. “Darauf sind die Ämter nicht eingestellt. Jetzt haben sie mir auch noch das Bürgergeld verwehrt, weil ich die Unterlagen nicht schnell genug beibringen konnte”, so Billy. Trotzdem gibt Billy nicht auf. Er braucht nur eine Chance, die ihm die Nachbarschaftshilfe gegeben hat. Hier arbeitet er seit zwei Monaten ehrenamtlich mit und betreut Menschen, die Hilfe in Haushalt oder Garten brauchen, weil sie es selbst nicht mehr können.

Auf die Frage, was er denn esse, erklärt Billy, dass er vom “Containern” lebt. Damit versorge ich auch andere Obdachlose, von denen es ca. 60 in Bad Nauheim gäbe. “Es ist zwar verboten, aber die großen Märkte stellen oftmals die Container so hin, dass sie erreichbar sind”, so Billy.

Du möchtest mit Billy Kontakt aufnehmen? Bitte wende dich an die Nachbarschaftshilfe Bad Nauheim 06032 9232140 oder per E-Mail an wirhandeln@nachbarschaftshilfe-bad-nauheim.de

Alisha Wiegand: Im Feuer des Burnouts

Der Druck der modernen Welt mit ihrer Sucht nach mehr, die unaufhörliche Flamme des Stresses, hat Alisha zermürbt. Sie hat als Top Consultin gekämpft, sich verausgabt, um dem Ideal des Erfolgs gerecht zu werden. Doch der Preis war hoch. Ihre Seele ist verbrannt, ihre Energie erschöpft. Der Abgrund des Burn-outs hat sie verschlungen und ihr für lange Zeit die Kraft geraubt, ihren eigenen Weg zu finden.

“Wer unter Burnout leidet, wird oftmals als faul und nicht arbeitswillig hingestellt”

Als Quereinsteigerin in einer E-Marketing-Agentur schaffte sie es in kürzester Zeit zum Senior Consultant und betreute schnell viele große Kunden. “Ich habe schon morgens vor dem Aufstehen den Tag mit einem Energydrink gestartet, dann ging es bis 23 Uhr durch”, so Alisha. “Je mehr Kunden ich positiv betreute, desto mehr Verantwortung habe ich bekommen. Zum Ausgleich habe ich MMA gemacht und mich so verausgabt und verprügeln lassen, das ich manchmal nicht mehr die Treppe hochkam”. Mit einem Schmunzeln fügt sie hinzu, dass sie natürlich auch ihren Frust abgelassen und ausgeteilt hat.

Eines Tages wurde ihr schwarz vor Augen. Panik Attacken in der S-Bahn. Das ärztliche Ergebnis: “Sie sind gesund”. Nachdem es nicht aufhörte, wurde ihr eine Therapie angeraten. “Burnout war früher nur ein Syndrom und ist erst seit kurzem als Krankheit eingestuft worden, damit werde Betroffene nicht mehr als Hypochonder wahrgenommen.”

Die Krankheit wird jedoch immer noch oft von Ärzten mit “Wollen sie kündigen?” oder “Sind Sie unzufrieden im Job?” abgetan. Vom Arbeitgeber und den Kollegen folgt dann noch “Du lässt uns hängen. Du suchst dir bestimmt was anderes etc. “Es hat lange gedauert, bis ich begriffen hatte, dass es nicht mehr mein Weg sein sollte.”, so Alisha Wiegand, die jetzt 34 Jährige . Bei den Ärzten war ich abgestempelt, also habe ich mir einen neuen Hausarzt gesucht, dem ich nichts vor meinem Burnout erzählt habe und so kam ich nach und nach in eine normale Diagnostik und konnte mein Leben umstellen.

“Jetzt stehe ich morgens auf und freue mich auf mein Leben”

Alisha hat sich wieder auf ihre ursprüngliche Ausbildung als Fitness- und Ernährungsökonomin besonnen und eine Ausbildung als Burnout Coach durchgezogen. Jetzt berät sie als Insiderin Unternehmen, wie sie auf Zeichen von Überlastung und Burnout-Gefahr achten können und schult in Workshops und Einzelgesprächen Mitarbeiter:innen und Führungskräfte. “Ich wünsche mir, dass Unternehmen im Rahmen des Gesundheitsmanagements ihrer Angestellten besser darauf achten und Vorsorge treffen, denn der wirtschaftliche – und vor allem emotionale Schaden bei den Mitarbeiter:innen – ist enorm!”, so Alisha im Gespräch.

Sie steht jetzt fröhlich auf und startet strukturiert in den Tag. Wenn sie mal keine Lust hat, verschiebt sie das geplante und geht mit ihrem Hund in den Wald. “Klar geht das nicht immer, z.B. wenn ich Veranstaltungen habe. Auch ist mir bewusst, dass es andere Berufe gibt, bei denen es nicht unbedingt geht und von deren Einsatz Leben abhängen. Ich habe jedoch meinen Weg gefunden.”

Du möchtest mit Alisha Kontakt aufnehmen? Bitte wende dich an die Nachbarschaftshilfe Bad Nauheim 06032 9232140 oder per E-Mail an wirhandeln@nachbarschaftshilfe-bad-nauheim.de oder direkt an Alisha unter: www.alisha-coaching.de | E-Mail: Hello@alisha-coaching.de | Instagram: @burn.and.out | LinkedIn: Alisha Wiegand